Equaleasy: Techniken für den Druckausgleich
Taucher wissen es nur zu gut: Barotrauma-Epidemien auf Tauchsafaris oder während
wochenlanger Tauchurlaube sind keine Folge des Eingreifens übernatürlicher Wesen, sondern
Folgen von Fehlern beim Druckausgleich. Soweit wir wissen, hat der berüchtigte Geist der toten
Korallen – Hauptverdächtiger bei unerklärten elektrischen Schadensfällen und Bootshavarien –
keinerlei Interesse am menschlichen Ohr.
Unnatürliche Zustände
Der Druckausgleich bei schnell ansteigendem Umgebungsdruck ist eine Kulturtechnik und dem
Menschen nicht angeboren. Wir benötigen den mechanischen Druckausgleich nur unter
besonderen Umständen, z. B. bei der Landung eines Flugzeugs oder beim Abtauchen in Wasser.
Beim Abstieg von einem Berg ist kein Druckausgleich erforderlich. Ein Sprung vom Gipfel der
Eiger Nordwand könnte möglicherweise die Notwendigkeit eines Druckausgleichs herbeiführen.
Wir werden es niemals mit Sicherheit wissen, da die Gene potentieller freiwilliger Teilnehmer an
diesem Experiment evolutionär zu benachteiligt sind, um heute noch zu existieren. Für einige
Tauchern ist Druckausgleich sehr einfach, nahezu unmerklich. Wer weiß, ob sie die vergessenen
Nachfahren unbekannter Nordwand-Springer oder subaquatischer Populationen sind?
Die Kunst des Druckausgleichs
Als Gerätetaucher atmen wir ständig durch einen Atemregler. Dieser ermöglicht uns, ein normales
Lungenvolumen beizubehalten, so dass uns alle Techniken des Druckausgleichs
tiefenunabhängig zur Verfügung stehen. Wir haben stets genug Luft in der Mundhöhle für das
Frenzel-Manvöver und den freihändigen Druckausgleich. Das macht die Dinge einfacher. Die
wahren Virtuosen des Druckausgleichs sind Apnoetaucher. Apnoetaucher haben keinen
Atemregler. Für sie funktioniert das Valsalva-Manöver ab 10 Metern Tiefe nicht mehr. Für das
Frenzel-Manöver und den freihändigen Druckausgleich müssen Apnoetaucher zunächst Luft von
der Lunge in die Mundhöhle befördern. Je nach Tiefe wird dies mittels unterschiedlicher Techniken
bewerkstelligt.                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             Valsalva ist überbewertet
Die Valsalva-Technik ist die unter Gerätetauchern bekannteste Methode für den Druckausgleich
und unter Apnoetauchern wegen ihrer begrenzten Möglichkeiten nicht hoch angesehen. Benannt
ist sie nach Antonio Maria Valsalva, einem italienischen Anatom aus dem 17. Jahrhundert. Er war
der Erste, der erkannte, dass dieses Manöver den Druck im intrathorakalen System und dem
Herzen beeinflusst. Heute gilt das Valsalva-Manöver bei Tauchern mit ASD (Atriumseptumdefekt,
eng: PFO, Patent Foramen Ovale) als Risikofaktor für die Migration von Mikrobläschen zwischen
den Herzkammern. Doch es ist nicht der ASD, weswegen Apnoetaucher Valsalva links liegen
lassen: Wegen der Kompression der Lungen durch den Umgebungsdruck ist es für sie bereits auf
10 Metern Tiefe nicht mehr möglich, das Lungenvolumenmittels der Bauchmuskulatur weiter zu
reduzieren.
Die Entdeckung des Dr. Frenzel
Zweieinhalb Jahrhunderte später, im Jahre 1938, entwickelte der deutsche HNO-Spezialist und
Offizier der Luftwaffe Dr. Hermann Frenzel eine Technik, die in die Ausbildung von Piloten der
berüchtigten Sturzkampfbomber (Stuka) aufgenommen wurde. Bei dieser Technik kommt die
Zunge zum Einsatz: Durch Druck nach oben und in Richtung des hinteren Teils des Gaumens wird
der Kehlkopf geschlossen und das Volumen der Mundhöhle reduziert. Der weiche Gaumen ist
geöffnet und die Nase geschlossen. Der hierdurch entstehende Druck öffnet die eustachischen
Röhren. Bei manchen Menschen findet zudem ein biomechanischer Effekt statt, der die Öffnung
der Röhren bereits bei geringerem Druck ermöglicht. Das Frenzel-Manöver kann daher auf zwei
Arten und Weisen durchgeführt werden: Die erste Technik öffnet die Röhren zu 100% über den
durch die Zungenbewegung erzeugten Luftdruck. Bei der zweiten Technik erfolgt die Öffnung teils
durch Druck, teils aufgrund einer durch die Zungenbewegung verursachter Kontraktion der oberen                                                                                                                                                                                        Nasopharynx. In beiden Fällen reduziert das Frenzel-Manöver die Belastung des Mittelohrs und
den Aufwand beim Druckausgleich.                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   Freihändig
Im Leben an Land gilt das Zukneifen der Nase zwischen Daumen und Zeigefinger als Ausdruck
geruchlich bedingten Unbehagens. Unter Wasser und unter Tauchern hat das Handzeichen eine
andere Bedeutung: die Aufforderung zum Druckausgleich. Dieses einfache Handzeichen kann
irreführend sein. Vielen Tauchern ist nämlich nicht bewusst, dass der Druckausgleich auch ohne
Zuhalten der Nase möglich ist. Beim freihändigen Druckausgleich öffnet der Taucher den weichen
Gaumen, so dass Luft aus dem Atemregler (auf Umgebungsdruck) den Nasenraum füllt und
dadurch die eustachischen Röhren mechanisch öffnet. Während des Abtauchens gleichen sich
der Druck im Mittelohr und der Umgebungsdruck automatisch aus.
Wir haben hier bereits drei Techniken beschrieben. Für Apnoetaucher, die tiefer als 30 Meter
tauchen wollen, reicht dies jedoch nicht aus. Diese Taucher haben ihre eigenen Versionen des
Frenzel-Manövers und des freihändigen Druckausgleichs entwickelt. Fortgeschrittene
Apnoetaucher verwenden die Mouthfill-Technik, bei der Mund und Wangen wie ein Kompressor
Luft in Richtung Mittelohr drücken.
Die Position des Tauchers
Mit Ausnahme der Disziplin No-Limits tauchen Apnoetaucher stets mit dem Kopf nach unten.
Gerätetaucher hingegen können es sich leisten, bequem mit den Füßen zuerst oder in
waagerechter Lage abzutauchen. Es ist zu beachten, dass das Valsalva-Manöver, wenn kopfüber
durchgeführt, durch Überdruck und Verstopfung des Mittelohrs zu Verletzungen führen kann.